Adolf Moritz Steinschneider Archiv

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Hitlers Mentor Dietrich Eckart und die Familie Steinschneider

Die Biographen Hitlers haben Mühe, eine scheinbar einfache Frage zu klären: Wie wurde Hitler zum Antisemiten? Ian Kershaw schreibt: "In truth, we do not know for certain why, not even when, Hitler turned into a manic and obsessive antisemite" (Kershaw: Hitler : 1889-1936, London 1998, S. 60). Brigitte Hamman weist nach, dass Hitler in seiner Wiener Zeit noch kein Antisemit war und es erst in München wurde. (Brigitte Hamann: Hitlers Wien, München 1998, S. 502).

In München traf Hitler 1918 als Gast der Thule-Gesellschaft Dietrich Eckart (1868-1923). Eckart war Dichter und Journalist. Er trank unmäßig und war morphiumsüchtig. Er führte Hitler in die bessere Gesellschaft ein, brachte ihm Stil bei und beschaffte ihm das Geld zum Ankauf des "Münchner Beobachters", der dann zum "Völkischen Beobachter" wurde, kurz: Eckart war Hitlers Mentor. Mein Kampf ist Eckart gewidmet. 1943 ließ Hitler die “Frankfurter Zeitung”, Deutschlands bekannteste Zeitung, verbieten, weil sie einen kritischen Artikel über Eckart gebracht hatte. Eckarts Schrift Der Bolschewismus von Moses bis Lenin, (1923) die als "Zwiegespräch zwischen Adolf Hitler und mir" (Eckart) abgefasst ist, gehört zum frühen Kanon des nationalsozialistischen Antisemitismus.

Im Nachlass Adolf Steinschneiders findet sich ein aufschlussreicher Artikel mit dem Titel “Reminiscens”, den Steinschneider Ende der dreißiger Jahre an eine deutschsprachige Pariser Exilzeitung geschickt und dessen Abdruck diese abgelehnt hatte. Sein Vater Max Steinschneider hatte Anfang des 20. Jahrhunderts in Döberitz bei Berlin eine Villenkolonie gegründet, an der Dietrich Eckarts Bruder Wilhelm, ein gescheiterter Rechtsanwalt, Teilhaber war. Adolf Steinschneider beschreibt Willy Eckart als Quartalsäufer. Dietrich Eckart stieß aus München zur Villenkolonie, wo er faulenzte und mit seinem Bruder im "Deutschen Kaiser" soff. Als die beiden ihre Kneipenrechungen nicht mehr bezahlen konnten, schlugen sie Bäume in dem zur Villenkolonie gehörenden Wäldchen und verkauften das Holz. Steinschneider vermahnte sie, aber als sie ein weiteres Mal Bäume gefällt hatten, zahlte Steinschneider Willy Eckart aus und verwies ihn aus der Kolonie. "Und nun begann allnächtlich vor unserer Villa ein toller Spuk. Regelmäßig wenn im “Deutschen Kaiser” Polizeistunde angesagt worden war, eröffneten eine viertel Stunde später die beiden Brüder Eckart., wenn sie bis vor unser Haus glücklich gelangt waren, einen wilden oratorischen Angriff. Er beschränkte sich inhaltlich auf folgende Worte: <Raus mit den Juden! Schlagt sie tot! Fort mit den Juden!> usw."

In einem Brief vom 25.9.1933 schreibt Adolf Steinschneider an seinen Bruder Gustav in Palästina, "dass der Krach ((der Familie Steinschneider)) mit den Eckarts damit anfing, dass wir dem Willi E., wohl nicht ganz zu Unrecht, vorwarfen, uns Bäume geklaut zu haben. Bald darauf wurde er von Papa abgefunden und rausgeworfen, und dann fingen in Döberitz diese antisemitischen Radauszenen an ((...)). Stell Dir vor, von der Abfindungssumme. die schon an die 100.000 ((Reichsmark)) rangekommen sein dürfte, könnte später etwas für Hitler und seinen “völkischen Beobachter” übergeflossen sein ! "

Weitere Literatur zu Eckart:

Margarete Plewnia: Auf dem Weg zu Hitler : der "völkische" Publizist Dietrich Eckart. Bremen 1970